Istanbul modern
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Istanbul modern



Exkursionsbericht: 1 Woche Istanbul

Vom 12.-19. Juni 2006 hieß es für die Seminargruppe "Megacity Istanbul" der Fachgruppe Stadt der TU-Darmstadt: Eine Woche Istanbul!
Jeder Student konnte hier vor Ort sein selbstgewähltes Thema recherchieren und vertiefen. Für mich bedeutete das: Mich auf die Spuren der modernen Architekten in Istanbul begeben.

Für mich selbst der erste Besuch in der Türkei, fand die anfängliche Annäherung an die Stadt über Reiseführer zu Hause statt. Diese stellen vor allem das antike und osmanisch geprägte Stadtbild in den Vordergrund.
Vor Ort dann die erste wesentlichste Überraschung für mich - Istanbul ist moderner als erwartet! Insgesamt machen Altstadt-ähnliche Stadtviertel nämlich den geringsten Teil dieser 12 Millionen-Megacity aus. Schon rund um unser Hotel, das sich im historischen Stadtteil Sultan Ahmed befindet, sind die Straßen flächendeckend gesäumt von Häusern mit moderner Formensprache aus den Jahrzehnten nach 1950. Und dieses Bild zieht sich durchweg durch die gesamte Stadtanlage: Kaum eine Stelle, an der man in eine reine Altstadt-Idylle blicken würde; Istanbul ist eine lebende, ständig wachsende, pulsierende und sich verändernde Metropole.

Nach dieser Festellung galt es nun, die Perlen in dieser Architektur aus dem 20. Jahrhundert zu suchen und zu finden. Denn - und das muss an dieser Stelle auch mal gesagt werden dürfen - der Großteil besagter Architekturen kann nur als mittelmäßig bezeichnet werden und bleibt deutlich unter den aus Deutschland und Nordeuropa gewohnten qualitativen Standards in Entwurf und Zustand zurück.


Im Nachhinein lassen sich aus den von mir besuchten und entdeckten Gebäuden mehrere kleinere Routen und Ausflüge im Stadtgebiet zusammenstellen, die einer kleinen architektonischen Zeitreise gleichkommen:

  • Einer der ersten gezielten Ausflüge führte mich an den Bosporus, an dem die betuchtere Gesellschaft sich in den noblen Vororten in ihre Villen am Hang oder am Wasser zurückzieht. In Bebek kann man Häuser von Ernst Egli und Paul Bonatz sehen. In Ortaköy baute Bruno Taut sich seine kleine Residenz, die heute direkt über der ersten Bosporus-Brücke im Hang liegt.
  • Als wahre Fundgrube für erfreuliche Beispiele Zeitgenössischer und historischer Shoparchitektur stellte sich die Istiklal Caddesi heraus, diese bekannte und lebhafteste Straße Istanbuls, auf der den ganzen Tag Besucher und Einheimische flanieren gehen, um Abends bis in die Nacht hinein in den unzähligen Restaurants und Bars zu einzukehren.
  • Rund um den Verkehrsknotenpunkt Taksim, an den sich die Istiklal Caddesi anschließt, reihen sich gleich mehrere erwähnenswerte Vertreter der modernen Architektur: Mit Tüten- und Ücler-Apartmentgebäude zwei Vertreter der Wohnhausarchitektur der 30er Jahre, das Atatürk Opernhaus direkt am Taksim aus den 50er Jahren mit einer eindrucksreichen Glasfront und das Hilton-Hotel als erster Vertreter des International Style in Istanbul von 1952.
  • Das sehenswerte Gelände der Universität Istanbul kann mit einigen beachtenswerten Architekturen aufwarten. Für diese Arbeit sind das Hauptgebäude der Fakultät der Wissenschaften und das Observatorium der Astronomischen Fakultät von besonderem Interesse.
  • Ein besonderes Highlight moderner Baukunst verdankt Istanbul dem großen Reformer Atatürk persönlich, der mit seiner Sommerresidenz im Vorort Florya am Marmarameer ein herausragendes Denkmal der klassischen Moderne in der Türkei setzte.
  • Nicht zuletzt rund um den Ägyptischen Basar in Sultan Ahmed kann man eine interessante Reise an die Schwelle zum 20. Jahrhunderts machen: Mit der Deutschen Orientbank und dem Sirkeci-Bahnhof von August Jachmund sind zwei hervorragende Beispiele des Deutschen historismus erhalten, der sich hier mit orientalischen Einflüssen vermischt. Aber auch die türkische Architektur der ersten Nationalen Architektur- Bewegung sind mit zwei Beispielen Vertreten. In Gestalt des Hauses Flora Han begegnete mir ein hervorragender Vertreter des Istanbuler Jugendstils, und wenn man beim Mehmet Efendi Shop im Gedränge des Agyptischen Basars ein Pfund türkischen Kaffe kauft, ist man wieder in der Moderne der 30er Jahre angekommen.