Istanbul modern
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Istanbul modern



  Jahrhundertwende, Eklektizismus und Jugendstil (ab 1890-1920)

Im ausgehenden 19. Jahrhundert befindet sich Istanbul in einer Phase starken Stadtwachstums, deren Architektur nun zunehmend von westlichen Vorstellungen und dem allgegenwärtigen Vorbild von Haussmanns Paris geprägt wird.
Die Westorientierung und Modernisierung der Hauptstadt im 19.Jahrhundert ist von der Entwicklung neuer Gebäudetypen bestimmt, da neue Verkehrsmittel neue Bautypologien verlangten (Bahnhöfe, Schiffsanlegestellen). Gerade solche Aufgaben, mit denen man in der Türkei bisher noch kaum Erfahrungen hatte, wurden daher gern Europäern übertragen.

Eklektizismus ist der vorherrschende Stil der Zeit, Neoklassizismus seine populärste Ausprägung. Die Westorientierung geht so weit, dass europäische oder in Europa ausgebildete Architekten gegenüber heimischen bevorzugt werden. Dies führt auch vermehrt dazu, dass angehende Türkische Architekten für Ihre Ausbildung in den Westen gehen.
Hierbei sind vor allem der Italiener RAIMONDO D’ARONCO und der Deutsche AUGUST JACHMUND zu nennen. Besonders Frankreich und Deutschland wetteifern um die ökonomische und kulturelle Vormachtstellung in Istanbul: So wird 1882 die Kunsthochschule (heute Mimar-Sinan-Universität) nach dem Vorbild der Pariser École Nationale des Beaux-Arts eröffnet, zwei Jahre später folgt die deutsch beeinflusste Hochschule für Bauingenieurwesen, Hoch- und Tiefbau (heute Technische Universität).
Besonders das Beyoglu-Viertel hat westlichen Charakter, da es im 19.Jahrhundert unter reichen Kaufleuten und Botschaftern sehr populär ist: Herrschaftshäuser, Hotels, Kaufhäuser und Einkaufspassagen entstehen im europäischen Stil.


Die Erste Nationale Architekturbewegung (1912-29)

Die Erste Nationale Architekturbewegung entwickelt den architektonischen Stil, der seit dem ersten Balkankrieg (1912) vorherrscht und versucht den Glanz des Osmanischen Reiches wieder aufleben zu lassen.
Es erfolgt eine Kombination von Elementen des osmanischen Kulturerbes sowie des internationalen Eklektizismus mit westlichen Konstruktionsmethoden mit dem Ziel, eine nationale Architektur zu schaffen, die sich eigenständig und unabhängig in der Welt behaupten kann. So werden typisch osmanische Elemente wie Spitzbögen, Erker und weit auskragende Traufen mit moderner Bautechnik als Stahl- oder Stahlbetonkonstruktionen umgesetzt.
Führende Vertreter sind KEMALETTIN BEY (1870-1927) und VEDAT TEK (1873-1942).

Von 1929 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wird die Architektur der Ersten Nationalen Architekturbewegung zunehmend von der aufkommenden Moderne verdrängt. Grund dafür ist zum einen die Weltwirtschaftskrise, die eine aufwendige Ornamentierung nicht mehr zuliess, zum anderen der Einfluss moderner ausländischer Architekten, die vor allem am Aufbau der neuen Hauptstadt Ankara beteiligt waren.